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Barbara Frischmuth

 

IDA IM GRÜNEN HAUS

 

Ida Szigethy und ich kennen einander seit Mitte der 60er Jahre, doch es dauerte Jahre, bis sie mir zum ersten Mal ihre Buntstiftzeichungen zeigte. Ich erinnere mich an sanfte Farben, denen sie Konturen verpasste, die von einer imaginären Welt erzählten, in der Wesen und Dinge eine andere Bedeutung erhielten.

Nach den Stiften kamen die Ölfarben, und als ich sie 1972 bat, einen Umschlag für mein Kinderbuch „Ida und Ob“ zu entwerfen, malte sie ein Bild, auf dem sie meine damalige Lebenssituation (ich hauste in einem Gestüt im Marchfeld, das auch Schauplatz des Buches war) samt meinen Bezügen zum Orient auf grandiose und zugleich verblüffende Weise zusammenfasste.

Abgesehen von den Farben, die wie ein Identitätsmarker das nur ihr Eigene anzeigen, ist es jene Begabung, Erlebnisse, Erinnerungen, aber auch Vorstellungen von großer Vielschichtigkeit sichtbar und fühlbar zu machen, die Szigethys Kunst zu etwas ganz Besonderem werden lässt.

Wie die Gedanken im eigenen Kopf erst miteinander in Beziehung treten müssen, um eine Stimmung, ein Ereignis, eine Situation wirklich zu erfassen, stellen sich auch in Tiere, Menschen, aber auch Gebäude, Vulkane oder andere signifikante Dinge ein, die auf ziemlich ungenierte Weise und auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen. Wobei es keineswegs an Zitaten mangelt, ob es sich nun um Schlümpfe und Mickeymäuse oder um die Ikonen von Hoch- und Alltagskultur handelt. Die Einheit des Seins zeigt sich auf allen Ebenen und die Dinge fügen sich drein.

Wenn man so will, kann man die Bilder Szigethys auch als Lebensgeschichten sehen, inspiriert von ihrem eignen Dasein und den vielen Reisen, die in Form von Wegmarkierungen durch die Bilder geistern, so als würden sie den Blick nun ihrerseits auf die Malerin richten, um ihr etwas zurückzugeben von all der Aufmerksamkeit, die sie für sie übrig hatte. Und so wie sie die Dinge auf ihre Weise verändert hat, indem sie sie malte, verändern die Dinge (ebenfalls auf ihre Weise) Szigethys Art zu malen. So haben z. B. die Pflanzen auf Bali, Hawaii oder La Réunion, einer Insel im Indischen Ozean, auf der sie sich mehrfach aufgehalten hat, ihre Farben kräftiger werden lassen, so wie seinerzeit die bunt gestreiften oder karierten Renndressen der Trabrennfahrer der Krieau für mehr Streifen und Karos in den Bildern sorgten.

“Ich möchte mit Farben und Formen eine andere Welt kreieren und neue Gedankengänge eröffnen“, schreibt Szigethy in ihrem Katalog aus dem Jahr 1982, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Doch sobald man der Meinung ist, man würde diese anderen Welten nun tatsächlich kennen, nimmt sie wieder einmal etwas wörtlich (zur Zeit lautet das Wort aufbauen), setzt dessen Charakter als Redewendung (man baut sich etwas auf) außer Kraft und nimmt sich eine 1964 von der Albertina veröffentlichte Mappe mir 25 Klimt-Zeichnungen vor.

Übrigens wurde diese Mappe von Walter Koschatzky herausgegeben, jenem Koschatzky, der dann 1983 ihr Bild „Schau Schau Mickeymouse“ für die Albertina ankaufte.

Fünfzig Jahre lang hat diese Mappe geduldig alle Umzüge Szigethys (und das waren nicht wenige) mitgemacht, und wohlverwahrt in einer Kiste ausgeharrt, die allerdings nicht ganz wasserdicht war, bis Szigethy, nach Wien heimgekehrt, daran dachte, auf den Zeichnungen Gustav Klimts aufzubauen. Und das im wahrsten Sinn des Wortes, indem sie einige der Zeichnungen auf bestes Papier kopieren ließ und darauf eine Traumwelt aus Farben und kleinteiligen Formen ihres eigenen Repertoires setzte, einem Obergeschoß gleich, das weit genug abhob, um von seiner Eigenständigkeit zu überzeugen, und doch auf solidem Grund errichtet wurde, dem selbst ein Erdbeben nichts anhaben könnte.

Sich auf diese (ich wollte schon sagen Bau)-Weise mit einem Maler wie Gustav Klimt auseinanderzusetzen, bedeutet naturgemäß eine enorme Herausforderung, die anzunehmen auch desaströs hätte enden können. Hat sie aber nicht, im Gegenteil, wie sie sich hier und heute überzeugen können.

Betrachtet man genauer, was Szigethy aus den Klimtschen Vorlagen gemacht hat, ist es nicht nur sie und ihre Malerei, die dabei gewonnen haben, sondern auch die Zeichnungen Klimts, die – Opfer seiner Popularität – auf so vielen Kaffeehäferln, Halstücheln und Jausentabletts zu Tode gedruckt wurden, von Leuten, die nichts damit machten außer Geld.

Auf den Bildern hier haben sie nämlich hinter Szigethys Farben und formalen Details wieder – und wie neu –  Gestalt angenommen. Manchmal ist es für die Wirkung eines Kunstwerks, das zu oft missbraucht wurde, weitaus belebender, durch ein anderes Kunstwerk hindurchzuscheinen, als millionenfach schlecht kopiert zum Souvenir zu verkommen.

Damit Transformationen dieser Art gelingen, braucht es nicht nur Einfühlsamkeit und Phantasie, sondern auch die Kunst des Verwandelnkönnens, will sagen, so etwas wie Zauberei. „Ich bin, was immer ich mir wünsche“, heißt es an anderer Stelle von Szigethys bereits erwähntem Katalog. „Warum nicht auch Klimt“, würde ich an ihrer Stelle hinzufügen, „aber, nicht zu vergessen, ich bin es, die sich das wünscht!“ Dass das Wünschen auch manchmal geholfen hat, macht es so begehrenswert. Man muss sich nur lange genug darin üben.

 

(Diesen Text hat Barbara Frischmuth als Eröffnungsrede zur Vernissage Ida Szigethy: Klimt Reloaded verfasst. Copyright: Barbara Frischmuth. Bilderrechte: Ida Szigethy)

 

Vernissage: 25.9.2015

Finissage: 21.10.2015, 19h

Grüne Galerie 7

Hermanngasse 24 1070 Wien

Kuratiert v. Anna Babka & Ursula Berner

 

 

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