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Hannah Tschinder

Diplomarbeit: Geschlechterkonzeptionen bei Hugo von Hofmannsthal. Der Rosenkavalier, Lucidor und Arabella im Vergleich.

Abstract

Die vorliegende Diplomarbeit untersucht die Geschlechterkonzeptionen Hugo von Hofmannsthals anhand von drei Werken: den in Zusammenarbeit mit Richard Strauss entstandenen Libretti Der Rosenkavalier und Arabella sowie dem Erzähltext Lucidor. Figuren zu einer ungeschriebenen Komödie. Diese Werke weisen strukturelle Parallelen auf: Die Handlung spielt in aristokratischen Kreisen, ist in der Vergangenheit und in Wien angesiedelt; die Libretti sind (Verwechslungs)Komödien, der Erzähltext trägt den Untertitel Figuren zu einer ungeschriebenen Komödie; in den beiden Libretti sowie der Erzählung ist das Motiv des Geschlechtertauschs bedeutend. Wesentliche Unterschiede in den Werken zeigen sich allerdings im Zugang zur Kategorie Geschlecht sowie zu (tradierten) Geschlechterrollen. Diese zu untersuchen ist Gegenstand dieser Arbeit. Den methodischen Hintergrund der Untersuchung bilden gendertheoretische und diskursanalytische Ansätze: verschiedene Theorien zu Geschlecht als Maskerade und crossdressing erweisen sich ebenso als relevant wie der Genderdiskurs der Moderne und dessen Einfluss auf den literarästhetischen Modernediskurs und die ästhetischen Konzepte Hofmannsthals.

Das Kernstück dieser Arbeit bildet die Analyse der in den Texten vertretenen Männer- und Frauenbilder sowie der Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit. Diese werden auf Stereotype überprüft und in den Kontext des Genderdiskurses der Moderne gesetzt. So zeigt sich, dass die geschlechtertauschenden Figuren im Rosenkavalier und in Lucidor sich kaum in ein binäres Gefüge einordnen lassen. Auch die anderen Figuren vermitteln Skepsis gegenüber den konventionellen Rollenbildern, die keinen Raum für Individualität lassen. Im Gegensatz dazu propagiert Arabella eine biologistische Auffassung von Geschlecht, die jeder Verkleidung trotzt und konventionelle Rollenbilder idealisiert. Die Männer- und Frauenbilder, nahe an Stereotypen, erweisen sich als Konstrukte und affirmieren bestehende Geschlechterverhältnisse und somit die männliche Vormachtstellung.

Ein genauerer Blick auf die geschlechtertauschenden Figuren zeigt, dass Hofmannsthal Geschlecht im Rosenkavalier und in Lucidor auf mehreren Ebenen in Frage stellt: Kleidung, Requisiten, Sprache, aber auch Beziehungsstrukturen dienen als Mittel zur Verschleierung des Geschlechts – reduziert auf Kleidung und Zuschreibungen wird Geschlechtszugehörigkeit als Konstrukt entlarvt. In Arabella wird Geschlecht hingegen als unverrückbare biologische Gegebenheit dargestellt.

Eine Zusammenschau der erarbeiteten Aspekte zeigt, dass sich im Rosenkavalier und in Lucidor durchaus Anknüpfungspunkte an Hofmannsthals Jugendœvre und den Modernediskurs festmachen lassen. Das Spiel mit Geschlechtsidentitäten stellt die Geschlechterordnung in Frage, wovon sich Hofmannsthal in Arabella allerdings distanziert. Hier zeigen sich restaurative Tendenzen – mit den Ambivalenzen, die sich im Rosenkavalier eröffnen wird aufgeräumt, die Ordnung der Geschlechter wieder hergestellt.

Diplomarbeit 


Kolloquium für DiplomandInnen und DissertantInnen
Mi 13.45-15:15 Uhr
Seminarraum I

 

Ao. Univ.-Prof. Mag.
Dr. Pia Janke
Institut für Germanistik
Universität Wien

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