Logo der Universität Wien

Cornelia Ebner

Diplomarbeit: "Das Universum des Todeserotikers" – Josef Winkler im literarischen und geographischen Spannungsfeld von Eros und Thanatos zwischen Kamering und Varanesi

Abstract

Eros und Thanatos als prekärer Gegensatz von Leben und Tod spielten in sämtlichen Epochen der Menschheitsgeschichte eine wichtige Rolle und stellen nach wie vor ein beliebtes Motiv auch innerhalb der Literatur dar. Die scheinbar unüberwindbare Opposition dieser beiden Kräfte, resultiert im Wesentlichen aus dem großen menschlichen Dilemma: Dem Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit. In Hinblick auf den unabwendbaren Tod wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Leben-Wollens überhaupt aufgeworfen. Insofern befindet sich der Mensch Zeit seines Lebens in einem ständigen Spannungsfeld, das sich aus dieser Problematik ergibt, der Tatsache, dass alle lebenserhaltenden und lebensbejahenden Handlungen zwangsläufig zum Tode hinführen.
Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich nunmehr mit der Frage, inwieweit dieses Spannungsfeld inhaltlich und formal – aber auch biographisch – in der Prosa des Kärntner Autors Josef Winkler zum Tragen kommt. Unter dem Blickwinkel des platonischen "hohen Eros" sowie Nietzsches "amor fati", als Ausweg aus der Sinnlosigkeit des Daseins durch symbolisches Überdauern und Neuinszenierung des Selbst im eigenen Kunstwerk, ergeben sich bei der Analyse der Winklerschen Werke neue interessante Deutungsansätze. Auch die oftmals angefeindete Stilisierung der Winklerschen Homosexualität in einer hochmanieristischen Sprache, kann als Teil der Generierung eines literarischen Selbstentwurfs als bewusst intendiert gedeutet werden. Durch die gewollte Abkehr von einer heterosexuellen Gesellschaft, die durch Zeugung von Nachkommen überlebt, verweist die Homosexualität unter Ausschluss dieser Möglichkeit auf die Bedeutung des literarischen Kunstwerks. In Anbetracht des Oeuvres als "Projekt", werden innerhalb der Arbeit literarische Entwürfe von Eros und Thanatos als Inszenierungen von Leben und Tod aufgegriffen und analysiert. Dies geschieht in erster Linie im Kontext zwei wichtiger Topoi der Winklerschen Prosa: Kamering und Varanesi. Als literarische Projektionsflächen für Winklers Reflektionen über Leben und Tod, präsentieren sie zwei völlig unterschiedlich Zugänge zum Thema Eros und Thanatos. Kamering ist ein Ort, der aus Erinnerungsplots entsteht, die Winklers Kindheit entstammen. Die Visualisierung des Todes äußert sich in diesem Zusammenhang als bedrohlich und mit einer Vielzahl manifester Ängste behaftet, welche aus einer zu frühen Konfrontation des Kindes Josef mit Sterblichkeit resultieren. Dazu gehört auch der Umstand der westlichen Erinnerungskultur, dass die Toten an einem "heiligen Ort", dem Friedhof, von den Lebenden "verbannt" werden, ihre Körper zwar tot sind, das Persönlichkeitskontinuum aber über den Tod hinaus andauert. Die Sprache der Erinnerung ist die der katholischen Kirche, sie umfasst jenes Zeichensystem, in welchem Winkler zu allererst verhaftet war. Dementsprechend weisen die früheren Werke eine rituelle, liturgische Schreibweise auf. Varanesi dagegen ist ein Ort, an dem zwar eine unmittelbare Konfrontation mit den Toten stattfindet, die rituell verbrannt werden, jedoch durch die fremde indische Kultur, die eine auch ökonomisch bedingte Symbiose von Eros und Thanatos präsentiert, das bis her verwendete Zeichensystem sich nicht mehr für die literarische Wiedergabe des Gesehenen eignet. Als neues Medium wird sprachlich eine Art unkommentierter Fotorealismus praktiziert, der dennoch durch das Niederschreiben der erlebten Eindrücke in ein Notizbuch einem kognitiven Selektionsprozess unterworfen ist. Überdies ermöglicht Winkler durch seine "Filmkamera im Kopf" Perspektiven, die der normalen Wahrnehmung des Auges verwehrt bleiben, etwa Vorgänge unter der Wasseroberfläche. Was beiden Orten gemeinsam ist und den roten Faden innerhalb des Oeuvres weiterführt, ist, dass sowohl Kamering als auch Varanesi als Simulacren angelegt sind. Durch diese wird eine literarische Wirklichkeit simuliert, die Teil der literarischen Selbstinszenierung ist. Nach Analyse einiger ausgewählter Werke, kann als Ergebnis insgesamt die Annahme getätigt werden, dass Winkler sich mit seinen Werken einen literarischen "Todesgesang" geschaffen hat, der eine Methode darstellt, wie man durch Vorführen des Todes seine Angst davor bezwingen kann. Insofern kann der Prosa, die übermäßig auf Thanatos ausgerichtet scheint, eine lebensbejahende Komponente zugeschrieben werden. Bezüglich einer Definition von "erotisch" im Sinne Platons, ist es nunmehr gerechtfertigt Winkler als "Todeserotiker" zu bezeichnen.

Diplomarbeit


Ao. Univ.-Prof. Mag.
Dr. Pia Janke
Institut für Germanistik
Universität Wien

Universitätsring 1
A-1010 Wien
T: +43-1-4277-421 25
F: +43-1-4277-42150
Universität Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien | T +43-1-4277-0