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Christian Schenkermayr

Dissertation: Ritus, Schrift und Machtgefüge. Interreligiöse Diskurse im Spannungsfeld sprachanalytischer Schreibverfahren am Beispiel ausgewählter Texte von Barbara Frischmuth, Josef Winkler und Elfriede Jelinek

Konzept

Ausgangspunkt des Dissertationsvorhabens ist die in literaturwissenschaftlichen Arbeiten der vergangenen zwei Jahrzehnte  mehrfach konstatierte Tendenz1), dass die Werke zahlreicher österreichischer AutorInnen nach 1945 sowohl auf formaler als auch inhaltlicher Ebene stark von den Erfahrungen ihrer katholischen Erziehung und der liturgischen Sprache geprägt sind. Anders als bei den meisten SchriftstellerInnen dieser Generation (z.B. Peter Handke, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Thomas Bernhard etc.) werden von Barbara Frischmuth, Josef Winkler und Elfriede Jelinek im Laufe ihres literarischen Schaffens auch vermehrt interreligiöse Diskurse und Motive in ihren Texten aufgegriffen und literarisch verarbeitet.
Ziel des Dissertationsprojektes ist es, am Beispiel ausgewählter Texte der drei AutorInnen, die zwischen 1996 und 2009 erstmals publiziert wurden (insbesondere der Romane „Domra. Am Ufer des Ganges“ (1996), „Die Entschlüsselung“ (2001), „Vergiss Ägypten“ (2008) sowie der Theatertexte „Babel“ (2004) und „Abraumhalde“ (2008)), und unter besonderer Berücksichtigung der für die Literaturwissenschaft relevanten Erkenntnisse poststrukturalistischer (v.a. postkolonialer) Theorien, das Spannungsverhältnis von katholisch geprägter Sprachkritik und den in den jeweiligen Werken thematisierten interreligiösen Diskursen systematisch zu analysieren. Wenngleich sich die ästhetischen Konzeptionsweisen ihrer Texte in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt haben, eröffnet die sowohl für Frischmuths als auch für Jelineks und Winklers Werk bis heute charakteristische Betonung des Materialcharakters der Sprache zahlreiche stilistische und thematische Vergleichsmöglichkeiten in Bezug auf die genannten Werke.
So werden im Rahmen der geplanten Dissertation etwa die unterschiedlichen Formen der Literarisierung religiöser Riten unter anderem am Beispiel der in Josef Winklers Roman „Domra. Am Ufer des Ganges“ geschilderten hinduistischen Einäscherungsprozessionen in Varanasi und deren sprachmimetische Engführung mit dem Katholizismus untersucht.
Eine weitere zentrale Ebene der Arbeit ist die Frage nach der literarischen Verarbeitung religiöser Schriften, die sowohl als Projektionsflächen interreligiöser Diskurse (etwa bei der Gegenüberstellung von Deutungsversuchen eines Briefwechsels zwischen der katholischen Äbtissin Wendlgard vom Leisling und dem islamischen Mystiker und Dichter Nesîmî in Barbara Frischmuths „Die Entschlüsselung“), vor allem aber als Inszenierung von Widersprüchen fungieren, die nicht aufgelöst, sondern im Gegenteil ins Zentrum des literarischen Konzepts gerückt werden (eine Funktion, die in Elfriede Jelineks Essay „Das Wort als Fleisch verkleidet“ als konstitutive Eigenschaft der Schrift definiert wird).

 
1 Vgl. u.a.: Schmidt-Dengler, Wendelin: Das Gebet in die Sprache nehmen. Zum Säkularisationssyndrom in der österreichischen Literatur der siebziger Jahre. In: Pankow, Christiane  (Hg.): Österreich. Beiträge über Sprache und Literatur. Umeå: Univ. i Umeå 1992, S. 46-62.


Ao. Univ.-Prof. Mag.
Dr. Pia Janke
Institut für Germanistik
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