Prothetik. Konturen einer Wissensgeschichte
Projektleitung: Roland Innerhofer
Projektmitarbeiter: Karin Harrasser
Projektlaufzeit:
Projektbeschreibung: Als medizintechnische Praxis ist Prothetik ein Schnittstellenphänomen:
Medizinisches Wissen (Anatomie, Chirurgie, Neurologie, Schmerztherapie) und technisches Know-how (Mechanik, Robotik) paart sich in der Prothesenversorgung mit den handwerklichen Fertigkeiten des Orthopäden und körpertechnischen Verfahren von Ergo- und Physiotherapie.
Prothetik ist jedoch nur auf den ersten Blick eine bloß medizintechnische Angelegenheit. Auf den zweiten erweist sie sich als ein Aggregat aus institutionellen, diskursiven und technischen Elementen, das die Relation zwischen Wissensbeständen über den Menschen und anthropologischen wie gesellschaftspolitischen Setzungen reguliert und technisch konkretisiert. Sie ist sowohl Praxis als auch Diskurs. Als Diskurs löst sich die Prothetik aus dem Feld des praktischen Vollzugs und begibt sich in andere kulturelle und soziale Felder. Mit Hilfe prothetischer Figuren wird in der Neuzeit das Verhältnis von Natur und Kultur, von Organizität und Mechanizität, von Norm und Abweichung diskutiert und/oder normativ festgeschrieben. Die Bedingungen der Konstruktion von Wissen über den Körper und dessen semiotische und ikonische, narrative und tabellarische, rhetorische und mathematische Konstitution sind deshalb ebenso Thema des Projektes wie die Praxis der Prothesenversorgung. Besonders interessieren die Wechselwirkungen prothetischen Wissens mit kulturtheoretischen und biopolitischen Programmen. Denn als Figur der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung, die das Verhältnis von Ganzheit und Zergliederung (des Staats- oder Volkskörpers) und von Selbst- und Fremdbestimmung thematisiert, ist die Prothetik nicht erst Donna Haraways Cyborg-Manifest im Gespräch, sondern nomadisiert seit Herders Rede vom Menschen als Mängelwesen und Goethes Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand quer durch heterogene Wissensfelder.
Ziel des auf insgesamt 5-6 Jahre projektierten Unternehmens ist eine
Kultur- und Technikgeschichte der Prothetik seit ca. 1800 in mehreren historischen Schnitten. Zentral sind dabei Überlegungen zum Verhältnis von Wissen über den Körper, Körpertechniken und konkreten Politiken des Körpers die auch unter dem Aspekt der geschlechtlichen Codierung untersucht werden.
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